Mützen für Moria

Was hat Häkeln und Stricken mit Politik zu tun?

Vor wenigen Wochen nahm Helge Hyams Kontakt zu mir auf mit der Bitte, meine Schüler*innen zu fragen, ob sie sich am Stricken und Häkeln von Babymützen für die Neugeborenen im griechischen Lager Moria auf der Insel Lesbos beteiligen würden.
Ich kenne Helge Jahrzehnte; sie begründete das Kindheitsmuseum in Marburg, deren Exponate mittlerweile in Museen auf der ganzen Welt eine Heimat gefunden haben. Sie war Professorin für Pädagogik in Bremen und eben auch jahrzehntelang Schülermutter an unserer Schule, drei ihrer vier Kinder besuchten die Waldorfschule Marburg.

Die letzten zehn Monate lebte sie im Lager Moria auf Lesbos, nahm dort die große Not wahr und wollte helfen. Babymützen für Neugeborene fehlten. So strickte und häkelte sie unzählige Mützchen, brachte Mädchen und Frauen das Stricken bei und half, wo sie konnte.

Sie übergab mir Wolle und Mützen-Modelle. Am Ende der darauffolgenden Religionsstunden der Klassen 9 und 10 – der derzeitig eingeschränkte Regelbetrieb erfordert meinen Einsatz in diesen Klassen – berichtete ich von Helges Erfahrungen und ihrer Frage an unsere Schüler*innen. Ich berichtete über die menschliche Not der Geflüchteten dort und die politische Situation, die vielen von ihnen weder ermöglicht, in ihr Ursprungsland Syrien, Afganistan, zurückzukehren noch in ein europäisches Land einzuwandern. Sie sind dort und keiner will sie haben; bzw. wir machen es nicht möglich, ihnen eine neue Heimat zu geben. Europa und die Welt schaut zu.

Wir diskutierten diese selbstgeschaffene politische Patt-Situation und untersuchten sie kritisch.

Nach den Stunden fanden sich knapp 10 Schüler*innen, aus oben genannten Klassen, die gerne stricken und häkeln wollten bzw. ihre Eltern und Geschwister miteinbeziehen wollten. Gearbeitet wurde, nach erbetener Genehmigung der betroffenen Lehrpersonen, in den Schulstunden sowie zu Hause.

Mittlerweile sind rund 20 Mützen entstanden (zehn reisten schon nach Lesbos und die ersten Bilder der Babys, die diese Mützen tragen, haben mich bereits erreicht). Morgen geht ein neues Paket Richtung Griechenland.

In einer Zeit, in der wir berechtigterweise um unsere Gesundheit fürchten, mit unseren Hoffnungen und Sorgen an unsere Zukunft denken, ist es meiner Meinung nach notwendig, den Blick von den eigenen Befürchtungen hin zu den Nöten Anderer zu lenken. Nach dem empathischen Blick auf die Notsituation und dem Reflektieren der Hilflosigkeit der Politiker ins Handeln zu kommen, beschreibt Rudolf Steiner als eine notwendige Tätigkeit des Jugendlichen. In einem Alter, in dem er Ideale befragt und eigene ausbildet, ist es wichtig zu beginnen, diese auch umzusetzen. Wenn er aber keine Möglichkeit findet zu partizipieren, zu handeln, so kann die Tatsache, dass er ausschließlich über Not und Elend hört und sieht, eine lähmende Wirkung haben, zu Depression, Aggression oder Abstumpfung führen. Lasst und mitfühlend und handelnd bleiben – dafür steht die Pädagogik unserer Schule!

Danke, liebe Schüler*innen für euren Einsatz mit Kopf, Herz und Hand!

Danke Helge für Deine Anfrage!
Lilli Penert

Danke an die Stricker*innen Charis van Gestel Kl. 5, Lillith Martens Kl. 9, Salomé Fiolka Kl. 9, Carlota Möller Kl. 10, Marisa van Gestel, Kl. 10, Elena Roolfs, Kl. 10, Ruben Feldpausch Kl. 10